Zusammenschluss mit Tierarzt Plus Partner: Warum ich mich für den nächsten Schritt entschieden habe
Gerne würde ich Euch an der Geschichte einer meiner wichtigsten, bisherigen Entscheidungen teilhaben lassen. Vor 2,5 Jahren stellten sich die ersten Interessenten in meiner Praxis vor und ich fand es zu diesem Zeitpunkt vollkommen absurd, mein 3. Kind, meine Praxis, zu verkaufen.
Habe ich Kollegen von den Investorenbesuchen und Anfragen erzählt, kamen heftige Reaktionen: der Ausverkauf der Tierärzteschaft, die Aufgabe der Selbstständigkeit, eine schlechte Geschäftsfrau wäre ich, wenn ich bloß einen Gedanken daran verschwenden würde, den Gewinn soll ich doch lieber in voller Höhe selbst einstecken. Bloß nicht diesen raffgierigen Futtermittelkonzernen, die einen reglementieren, die Identität klauen und den letzten Tropfen aus Mitarbeitern und Praxen quetschen, mein Lebenswerk anvertrauen. Außerdem wäre ich noch viel zu jung zum Verkaufen, die Nachfolgeproblematik in ferner Zukunft und ich müsste aktuelle noch viel zu viele Steuern zahlen. Die Ratgeber waren sich auch sehr sicher, dass ich es nicht Mal kurzfristig ertragen würde, wenn mir irgendwelche BWLer zukünftig vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Das hörte sich alles schlüssig an und eigentlich kamen wir ja auch ganz gut allein zurecht. Somit habe ich diese Anfragen ad acta gelegt.
Die Idee des Vernetzens fand ich allerdings schon immer großartig. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich Networking lebe. Ich bin überzeugt, dass man gemeinsam viel schneller viel Größeres auf einem höheren Niveau schaffen kann. Nicht jeder muss die gleichen Fehler wiederholen, nicht jeden Workflow müssen wir selbst neu erstellen, gemeinsam könnten wir Erfahrungen und Wissen austauschen, verschiedenste Fachgebiete abdecken.
Die Tiermedizin entwickelt sich rasant weiter, Spezialisierung ist das neue Schlagwort: Ich bin Spezialistin für Tierzahnheilkunde, habe noch eine Ahnung von kleinen Heimtieren, HNO und Radiologie, aber ich bin nicht Spezialistin für all die Positionen, die beim Betrieb einer großen Tierarztpraxis anfallen – weder für Praxismanagement, noch für IT oder Arbeitssicherheit und wenn das EC-Gerät nicht funktioniert oder es neue Datenschutzrichtlinien gibt, habe ich kaum Kapazitäten zur Problemlösung.
In den Anfängen konnte ich die Praxis – mit 3, 5 oder 10 Mitarbeiter:innen, mit Bauchgefühl und gutem Willen – ganz passabel führen. Mit über 20 Mitarbeiter:innen wird das Management, so nebenher betrieben, eher provisorisch. Will man in diesen Bereichen genauso ordentlich performen wie in den medizinischen, will fair und wertschätzend seinen Mitarbeiter:innen gegenüber auftreten und möchte verhindern, dass Bürokram hinten runterfällt, dann braucht man Unterstützung. Die Vorstellung, unliebsame Aufgaben an Spezialisten abzugeben, die genau das hauptberuflich und mit Hingabe machen, hört sich sinnvoll an.
Zudem würde ich gerne meinen Mitarbeiter:innen und meiner Familie Sicherheit und Perspektiven bieten. Ich habe nämlich während Corona schon geschwitzt, als ich vorsorglich das gesamte Team die Kurzarbeitszettel unterschreiben ließ. Man konnte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, dass der gegenteilige Fall eintritt und die Pandemie sich so günstig auf den Veterinärmarkt auswirkt. Wir haben aber gesehen, wie schnell es gehen kann: Wie lange kannst DU im Notfall Deinem 25-köpfigen Team die Gehälter aus eigener Tasche zahlen? Welche Perspektiven können wir engagierten, jungen TFAs und Tierärzten in unseren Praxen bieten? Es ist nicht verwunderlich, dass so viele Kollegen den praktischen Job aufgeben und in die Industrie abwandern.
Und dann habe ich noch diese Herzensangelegenheit, mein Wissen in der Tierzahnheilkunde an möglichst viele Kollegen weiterzugeben und selber noch besser zu werden. In der Praxis vor sich hin wurschteln, Wissen hamstern und bloß keinem davon erzählen – sonst macht die Nachbarpraxis am Ende auch noch gute Tiermedizin und zieht Dir Patienten ab – diese Einstellung ist von vorgestern.
In einem Netzwerk gäbe es die Möglichkeit, viele Kollegen zu erreichen und fortzubilden, den Standard der Tiermedizin in Deutschland gemeinsam zu heben.
Meine Versuche und Angebote an große benachbarte Tierkliniken und Praxen, sich mit mir zusammenzuschließen, sich die Verwaltung zu teilen und fachlich auszutauschen, stießen auf wenig bis keinerlei Interesse. Ich habe andere Versuche aus der Kollegenschaft beobachtet, sich zu organisieren, unter Tierärzten zu vernetzen, Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen. Diese Versuche sind bislang maximal erfolglos, weil wir einfach alle mehr als Fulltime arbeiten und keine Zeit haben, um uns auch noch um diese unliebsamen Arbeiten zu kümmern.
Es folgten 2,5 Jahre zeitraubende Gespräche, Meetings, Calls und intensive Verhandlungen mit sämtlichen Investoren, die aktuell auf dem deutschen Markt sind, kommen wollen oder auch schon wieder aufgegeben haben. Da waren die bekannten, großen Player aus dem Futtermittelbereich, Tiermedizinketten aus England, Portugal und Belgien, fachfremde Firmen aus dem Private Equity, bei denen Geld wirklich keine Rolle spielt, kleine nationale Neugründungen, die uns gerne als erste Praxis, als ihren „Leuchtturm“ wollten und Netzwerke, die sich mit mir zusammenschließen wollten, um gemeinsame Ziele zu erreichen – ich habe mir alles angehört.
Eine komplett neue Welt erschloss sich mir. Ein neues Vokabular, sehr viele Zahlen, unglaublich viele interessante Kontakte, ein Einblick in den Veterinärmarkt und die Einsicht, dass es nicht möglich ist, diese ganzen Interessenten über einen Kamm zu scheren, da komplett unterschiedliche Ansätze, Strategien und Ziele der Unternehmen vorliegen. Manche kaufen Dich ganz, andere nur zum Teil, manche verkaufen Dir erstmal Services, um Dich dann vielleicht zu kaufen und manche sprechen von einem partnerschaftlichen Zusammenschluss und schreiben sich auf die Fahnen, der Tiermedizin in Deutschland unter die Arme greifen zu wollen und sprechen von Unternehmenszielen, die es sich lohnt anzuhören: Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter verbessern und die Tiermedizin voranbringen.
Ja, ich weiß, die wollen alle Geld verdienen – das wollen wir auch, sonst können wir keine Mitarbeiter, Fortbildungen, Miete, Investitionen und auch nicht den nächsten Urlaub bezahlen.
Ich habe von allen Interessenten, mit denen ich länger gesprochen habe, ein Angebot für meine Praxis, mein Team, für mich bekommen. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Am Ende des Tages hat mich das Team von Tierarzt Plus Partner (TPP) überzeugt, dass wir die gleichen Werte und Ziele verfolgen, uns die Wertschätzung der Mitarbeiter:innen an erster Stelle steht und wir die Tiermedizin in Deutschland gemeinsam auf ein neues Niveau heben können.
Ein Zusammenschluss macht es für mich möglich, meine nächsten, großen Schritte mit der Praxis zu verwirklichen (ich werde in Kürze genaueres berichten), für mein Team gibt es nun Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln, die ich alleine nicht hätte bieten können und wir werden unser Wissen und unsere Erfahrungen in über 70 weitere Tierarztpraxen in Deutschland transportieren können und an deren Erfahrungen teilhaben. Ein großes Team aus Spezialisten in administrativen Bereichen wie z. B. Praxismanagement, Buchhaltung, IT, Marketing und vieles mehr, zählen nun zu unseren neuen Kollegen. Zusätzlich können wir die eigene Akademie für die Fortbildung unserer Mitarbeiter nutzen.
Mein Team, meine Praxis und ich sind ab 1. August 2023 Teil vom TPP-Netzwerk und wir sind uns sicher, den richtigen Schritt Richtung Zukunft gegangen zu sein. Wenn Ihr Fragen habt, meldet Euch gerne bei mir. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten, ob sich alles so entwickelt, wie wir es uns vorgestellt haben.
Eure Dr. med. vet. Anna Draschka
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